Dekubitus (Druckgeschwür, Wundliegen, Dekubitalulkus, Dekubitalgeschwür): Örtlich begrenzte Schädigung der Haut und des darunter liegenden Gewebes, die durch anhaltenden Druck oder Reibung beim langen Liegen oder Sitzen entsteht. Über Rötung, Blasen und Hautabschürfung können sich tiefe, bis zu den Knochen reichende offene Wunden entwickeln. Sie kommen insbesondere dort vor, wo die Haut ohne Muskel- oder Fettpolster direkt über dem Knochen liegt (z. B. Fersen, Kreuzbein oder Hinterkopf). Betroffen sind meist bewegungseingeschränkte, bettlägerige Menschen. Behandelt wird mit spezieller Wundpflege, entlastender Lagerung und Schmerzmitteln. In manchen Fällen muss der entstandene Gewebedefekt operativ gedeckt werden.
Symptome und Leitbeschwerden
- Anfangs anhaltende, umschriebene Hautrötung, eventuell auch violette Verfärbung
- Später offene Wunden, die nicht abheilen
- Schmerzen (selten).
Wann in die Arztpraxis
Möglichst schnell ärztlichen Rat einholen und sofort mit der entsprechenden Lagerung beginnen, wenn
- gefährdete Hautbereiche auffällige Rötungen aufweisen
- sich gerötete Flecken durch Fingerdruck nicht entfärben (Fingertest, siehe unten).
Die Erkrankung
Häufigkeit
Der Dekubitus ist eines der folgenschwersten und am meisten verbreiteten Probleme bettlägeriger Menschen. Expert*innen schätzen, dass bis zu 30 % der zu Hause betreuten Senior*innen und 50 % der Menschen in Pflegeheimen und geriatrischen Kliniken zumindest zeitweise an einem Dekubitus leiden.
Krankheitsentstehung
In der Regel spürt man, wenn eine Entlastung des Gewebes angesagt ist, und ändert einfach die Sitz- oder Liegeposition. Das passiert normalerweise automatisch, z. B. dann, wenn man auf einem harten Stuhl sitzt und sich ein Unbehaglichkeits- oder gar ein Schmerzgefühl bemerkbar macht. Ein bewegungseingeschränkter Mensch kann jedoch nicht mehr selbstständig für diese Druckentlastung sorgen. Dann behindert der anhaltende Druck die Durchblutung der Haut. Das Gewebe wird nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt und stirbt ab.
Der gefährliche Druck kann von außen und von innen kommen: Von außen entsteht er beispielsweise, wenn ständig eine Falte im Bettlaken auf die Haut drückt oder ein Körperteil an die Bettkante gepresst wird. Druck von innen kommt zustande, wenn Menschen auf Körperteilen liegen oder sitzen, an denen ihre Knochen ohne Muskel- oder Fettpolster direkt unter der Haut liegen. In Rückenlage lastet so besonderer Druck auf dem Gesäß (Kreuz- und Steißbein), auf den Fersen, den Ellenbogen, den Schulterblättern und auf dem Hinterkopf. In Seitenlage sind Hüftknochen und Knöchel gefährdet.
Eine weitere Ursache für die Entstehung von Dekubitus sind Scherkräfte. Sie kommen zum Tragen, wenn immobile Menschen lange auf einem Stuhl sitzen und dabei langsam herunterrutschen. Während die Haut auf der Stelle bleibt, rutscht der Körper und die Gewebeschichten verschieben sich. Auch dadurch wird die Durchblutung beeinträchtigt und Gewebe zerstört. Zu gefährlichen Scherkräften kann es auch kommen, wenn Bettlägerige nicht fachgerecht positioniert werden, z. B. wenn man sie aus dem Liegen ins Sitzen hochzieht.
Klinik
Der Dekubitus entwickelt sich vom Gewebeinneren nach außen. Zunächst wird ein roter, sehr selten auch ein weißer Fleck an aufliegenden Körperstellen sichtbar. Wenn dieser bei Druckentlastung nicht innerhalb weniger Sekunden verschwindet, ist höchste Aufmerksamkeit geboten. Ohne Behandlung entsteht ein Geschwür, das sich rasch in tiefe Gewebeschichten ausbreiten kann.
Die Entwicklung eines Dekubitus verläuft in vier Stadien (Grad I bis IV):
- Hautrötung und Schmerzen
- Blasenbildung und oberflächliche Hautschädigung
- tiefere Gewebeschädigung bis in die Unterhaut (Subkutis)
- ausgedehnte Gewebezerstörung bis auf die Knochen, Sehnen oder Muskeln.
Risikofaktoren
Gefährdet für einen Dekubitus sind vor allem bewegungseingeschränkte, kranke oder gelähmte Menschen, die den ganzen Tag sitzen oder liegen und sich nicht selbst entlasten können.
Verschiedene gesundheitliche Faktoren (sog. intrinsische Faktoren), begünstigen das Wundliegen:
- Zu feuchte oder zu trockene Haut, Inkontinenz
- Untergewicht und Mangelernährung (verzögerte Wundheilung durch fehlende Nährstoffe, wenig Unterhautfettgewebe)
- Übergewicht (zusätzlich erhöhter Druck auf die betroffenen Körperbereiche durch das Gewicht)
- Flüssigkeitsmangel
- Sensibilitätsstörungen, die die Wahrnehmung von Druck oder Schmerz beeinträchtigen (z. B. eine diabetische Neuropathie)
- Durchblutungsstörungen wie z. B. bei Arteriosklerose oder Diabetes mellitus
- Depression oder depressive Verstimmung, die die Betroffene in ihren Aktivitäten einschränkt.
Aber auch zahlreiche äußere Faktoren können zu Dekubitus führen:
- Schlecht sitzende Arm- oder Beinprothesen, falsch angelegte Verbände
- Ungünstige Lagerung (z. B. die Seitenlage)
- Falsches Heben und Lagern, das die Scherkräfte verstärkt
- Sedierende Medikamente, die die Bewegungseinschränkung der Patient*in zusätzlich verstärken
- Harte Behandlungsliegen oder OP-Tische, zu festes Lagerungsmaterial.
Wird ein Dekubitus nicht rechtzeitig behandelt, stirbt das Gewebe immer weiter ab, bis sich ein offenes, tiefes Geschwür (Ulkus) bildet. Wenn das Ulkus sich infiziert, können sich die Bakterien in den umgebenden Weichteilen und im Blut ausbreiten. Dann drohen Knochen- und Muskelentzündungen, aber auch eine lebensgefährliche Sepsis oder Pneumonie.
Diagnosesicherung
Der Dekubitus ist eine Blickdiagnose, die auf der klinischen Untersuchung und dem typischen Erscheinungsbild der Wunde beruht. Im Frühstadium hilft der einfache Fingertest, eine Hautrötung von einem Dekubitus zu unterscheiden. Wird die gerötete Hautstelle durch Fingerdruck weiß und rötet sich dann wieder, liegt kein Dekubitus vor. Bleibt die Rötung trotz Fingerdruck bestehen, deutet dies auf einen Dekubitus hin. Ganz wichtig bei Verdacht auf Dekubitus ist, den gesamten Körper der Patient*in auf Druckstellen hin abzusuchen.
Bei der ersten Beurteilung müssen Lage und Größe der Wunde exakt beschrieben und dokumentiert werden. Auch wichtig ist, wie weit der Dekubitus schon fortgeschritten ist, d. h. in welcher Phase die Wunde sich befindet und ob sich schon Wundtaschen gebildet haben. Danach richtet die Ärzt*in die Therapie aus. Auch in der Folge sind regelmäßige Dokumentationen des Wundzustands wichtig, nur so lässt sich der Heilungsverlauf korrekt beurteilen.
In fortgeschrittenen Fällen können weitere Untersuchungen nötig werden. Bei Verdacht auf eine Infektion der Wunde wird ein Wundabstrich entnommen und auf Bakterien untersucht. Blutuntersuchungen zeigen auf, ob eine Entzündung vorliegt. Um festzustellen, ob der Dekubitus schon den Knochen erreicht oder geschädigt hat, ist eine Röntgenuntersuchung erforderlich.
Behandlung und Vorbeugung
Die Behandlung fußt auf zwei Säulen: der lokalen Wundtherapie und der begleitenden Kausaltherapie.
Lokale Wundtherapie
Die lokale Behandlung der Wunde richtet sich nach deren Größe und Zustand. Zunächst müssen die Nekrosen, d. h. die abgestorbenen Gewebeanteile, entfernt werden. Erleichtert wird dies durch das Auftragen von synthetischen Enzymen, die das nekrotische Gewebe verflüssigen. Bei großen Wunden können dafür auch chirurgische Eingriffe nötig werden. Nach Entfernung der Nekrosen wird die Wunde gespült und antiseptisch behandelt. Darauf folgt eine phasengerechte Wundversorgung mit feuchten Wundverbänden.
In der Reinigungsphase muss Feuchtigkeit zugeführt und Wundsekret aufgenommen werden. In der Granulationsphase unterstützt man die Neubildung des Gewebes, in der Epithelisierungsphase speziell die Bildung der obersten Hautschichten. Für jede dieser Aufgaben gibt es spezielle Wundauflagen. Beispiele sind Hydrogelverbände, Hydrokolloidverbände, Polyurethanschäume, Silberauflagen und Hydropolymere.
Die engmaschige Behandlung und Kontrolle eines Dekubitus liegt in den Händen der Hausärzt*in oder einer Wundspezialist*in. In Pflegeheimen ist für die Durchführung das Pflegepersonal verantwortlich. Zuhause übernehmen meist ambulante Pflegedienste die Versorgung aufwendiger Wunden oder den täglichen Verbandswechsel.
Kausaltherapie
Neben der Wundtherapie ist die Kausaltherapie von elementarer Bedeutung. Damit bekämpft man die Faktoren, die einen Dekubitus begünstigen bzw. dessen Heilung behindern. Zu den Maßnahmen gehören:
Absolute Druckentlastung. Um die Durchblutung des betroffenen Areals wiederherzustellen und die Wundheilung zu fördern, muss der Druck von der Wunde genommen werden. Dazu dienen fachgerecht durchgeführte regelmäßige Umlagerungen und Lagerungsmittel. Sanitätshäuser bieten eine Fülle von Weichlagerungskissen an, die die Druckentlastung durch das Freilagern von Körperteilen ermöglichen. Antidekubitusmatratzen helfen bei der möglichst großflächigen Druckverteilung. Es gibt verschiedene Systeme: Wechseldruckmatratzen sehen aus wie übergroße Luftmatratzen und werden auf die eigentliche Bettmatratze gelegt. Eine in der Matratze integrierte Pumpe bläst dann abwechselnd Luft in die Kammern. Das Körpergewicht wird so von den luftgefüllten Kammern getragen und der normalerweise entstehende Auflagedruck wird durch das Ablassen der Luft immer wieder reduziert.
Schmerztherapie. Dekubituswunden verursachen häufig Schmerzen, insbesondere auch bei der Wundpflege. Sind sie leicht bis mittelstark, helfen Paracetamol oder Ibuprofen. Bei stärkeren Schmerzen verordnet die Ärzt*in auch stärkere Analgetika, z. B. Opioide.
Ernährung. Damit die Wunde heilt, brauchen Patient*innen mit Druckgeschwüren sehr viel Energie und Eiweiß. So steigt ihr Energiebedarf auf 35 bis 40 kcal pro Kilogramm Körpergewicht (zum Vergleich: der Grundbedarf eines Gesunden liegt bei etwa 25 kcal/kgKG). Besonders wichtig sind Eiweiße (Proteine): Bei Dekubitus werden bis zu 2 g pro Kilogramm Körpergewicht täglich empfohlen (Normalbedarf etwa 0,8 g). Auch die Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen muss gewährleistet sein. Häufig sind all diese Anforderung mit einer normalen Kost nicht zu erreichen. Dann sind Spezialnahrungen eine Option.
Prävention
Die beste Behandlung des Dekubitus ist die Vorbeugung. Sie reicht von größtmöglicher Wachsamkeit bei der Körperpflege über die passende Hautpflege bis zur mehrmals täglichen Kontrolle des Pflegebetts.
Risiko abschätzen. Bei immobilen Patient*innen oder Pflegeheimbewohner*innen sollte das Risiko für ein Wundliegen regelmäßig vom Fachpersonal abgeschätzt werden. Dabei helfen Dekubitusrisiko-Skalen. Bei der weit verbreiteten Briden-Skala werden Punkte für sechs Risikofaktoren vergeben (sensorische Empfindung der Haut, Hautfeuchtigkeit, Aktivität der Betroffenen, Mobilität, Ernährung sowie Reibung und Scherkräfte). Je höher das errechnete Risiko, desto wichtiger sind vorbeugende Maßnahmen.
Haut inspizieren. Pflegende und Angehörige sollten die Haut täglich auf Druckstellen inspizieren, besonders die Bereiche, die dauerhaftem Druck ausgesetzt sind. Es ist sinnvoll, diese Kontrolle in die tägliche Körperpflege zu integrieren.
Nässe meiden. Feuchtigkeit durch Schweiß oder Urin gefährdet die Haut besonders. Durchnässte Kleidung oder Wäschestücke müssen deshalb umgehend gewechselt werden. Gegen starkes Schwitzen empfiehlt sich atmungsaktive Bett- und Unterwäsche mit einem hohen Baumwollanteil. Ein über das normale Bettlaken gespannte Moltontuch saugt Flüssigkeiten auf und kann bei (leichter) Verunreinigung schnell ausgetauscht werden.
Haut angemessen pflegen. Zum Waschen sollte lauwarmes Wasser eingesetzt werden. Geeignet sind Seifen oder Duschlotionen, die einen hohen Anteil an rückfettenden Bestandteilen haben und den schützenden Säuremantel nicht beeinträchtigen. Anschließend wird die Haut gründlich abgetrocknet und mit einer Pflegecreme eingecremt. Die Pflege schon betroffener Hautbereiche muss nach Rücksprache mit der Ärzt*in an die Therapie angepasst werden.
Bett kontrollieren. Falten im Bettzeug oder liegen gelassene Gegenstände wie Fernbedienungen oder Hörgeräte können auf die Haut drücken und zum Wundliegen führen. Regelmäßige Kontrollen von Bett, Lehn- oder Rollstuhl sind deshalb wichtig.
Aktivieren und Mobilisieren geht vor Lagern: Jede Bewegung, die von den Betroffenen selbstständig ausgeführt wird, unterstützt die Druckentlastung und mindert so das Dekubitusrisiko. Es ist gut, regelmäßig aus dem Bett aufzustehen, um die Mahlzeiten am Tisch einzunehmen. Auch das eigenständige Aufsetzen und Halten der Tasse gehört dazu. Zahlreiche Übungen können auch im Bett durchgeführt werden, z. B. das Anspannen der Gesäßmuskulatur oder das Beinanwinkeln.
Ihre Apotheke empfiehlt
Was Sie selbst tun können
Als Angehörige von Pflegeheimbewohner*innen kann man sowohl die vorbeugenden Maßnahmen als auch die eventuelle Therapie von Wundgeschwüren unterstützen. Das bedeutet u. a., die Betroffenen in Bewegung zu bringen, sie nach Rücksprache mit dem Pflegepersonal beim Besuch umzulagern, sie zum Trinken zu animieren und die Ernährung zu unterstützen.
Bei der Pflege zu Hause gelten alle oben genannten vorbeugenden Maßnahmen. Wichtig ist, genaue Anleitungen von der Hausärzt*in oder den Pflegediensten zu bekommen und diese einzuhalten.
Vor allem in der Pflege zuhause kursiert eine Fülle hartnäckiger Tipps gegen Dekubitusbildung, die mehr schaden als sie nützen und unbedingt zu unterlassen sind:
- Kühlen und Föhnen oder Massage zur Durchblutungsförderung. Diese waren mal in Mode. Untersuchungen haben aber bewiesen, dass sie den Zustand belasteter Haut verschlimmern. Gleiches gilt für Einreibungen mit alkoholhaltigen Lösungen wie Franzbranntwein – sie entfetten die Haut und machen sie rissig.
- Dicke Pasten zum Hautschutz erschweren die Beobachtung der Haut. Auch von hautfärbenden Lösungen wird abgeraten, weil auch sie eine Inspektion der Haut fast unmöglich machen. Ebenso ungünstig ist die Behandlung mit Melk- oder Wollfetten. Sie verschließen Hautporen und weichen vorgeschädigtes Gewebe auf.
- Das Pudern gefährdeter Hautbezirke ist umstritten. Die Partikel binden zwar Feuchtigkeit, was erwünscht ist, doch wenn die Partikel nicht fein genug ausgestrichen werden und "klumpen", schädigen sie die Haut ebenso wie Brotkrümel im Bett.
- Fersen- und Ellenbogenschoner aus Fell haben keinen Effekt; auch Watteverbände zum Polstern reichen nicht aus. Von Beidem wird deshalb abgeraten.
- Mit Luft gefüllte Gummiringe als Kreuzbeinschutz schränken die Beweglichkeit des Betroffenen ein und schaden der Haut durch den entstehenden Wärmestau. Gummi- und Plastikunterlagen sind zu vermeiden, weil die Patient*innen auf ihnen schwitzen und so die Haut feucht wird. Statische Auflagen oder Matratzen, die permanent mit Luft gefüllt sind, drücken ebenso wie die Luftmatratze beim Camping und entlasten nicht.
Hilfsmittel
Hilfsmittel gegen Dekubitus werden von den Krankenkassen bezahlt, wenn aufgrund von Krankheit oder Behinderung dauerhaftes Liegen erforderlich ist, das zu einem erhöhten Dekubitusrisiko führt. Voraussetzungen dafür sind eine ärztliche Verordnung, ein Antrag sowie eine nachweisliche Einschätzung des Risikos.
Weiterführende Informationen
Institut für angewandte Pflegeforschung e. V., Bremervörde: Verständliche und praxisorientierte Fachinformationen. Die Informationen gibt es auch als kostenlose App.